WG-I - Globalisierung: Demokratie und Staat am Ende?

Globalisierung, MAI, GATS und Agenda 21
Geht die Staatsgewalt noch vom Volke aus oder sind Demokratie und Staat am Ende?
Möglichkeiten aus Sicht von Bürgern, Beamten und Christen


 

Globalisierung - Ende der Demokratie? Ende der Nationalstaaten?
 

Oder - Wie können wir auf die Auswüchse der Globalisierung reagieren?
 
Aktueller Anlass für meine Ausführungen war u.a. die nachfolgende Mail, welche ich vor kurzem erhalten hatte und deren Inhalt (wieder einmal) in mir großen Unmut erzeugt hat:
 
Betreff: Energiemail 2/03: GATS – Die Kommerzialisierung der Menschlichkeit?
Von:
Jürgen Grahl (juergen.grahl@gmx.de)
Gesendet: Di., 11.03.2003
 
 
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freunde und Mitstreiter,
 
Nachfolgend einige Betrachtungen zum GATS, dem Dienstleistungsabkommen der WTO, und den von ihm drohenden Gefahren für Umwelt und Entwicklung, Bildung und Kultur, Demokratie und Menschenrechte. (Dieser Artikel wird auch im neuen Solarbrief 1/03 erscheinen.)
 
Herzliche Grüße,
Ihr Jürgen Grahl
 
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Dr. Jürgen Grahl
Mathematisches Institut, Zimmer 121
Universität Würzburg
Am Hubland
97074 Würzburg
Tel.: 0931-888-4947
E-Mail: grahl@mathematik.uni-wuerzburg.de
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Teil A: GATS - Die Kommerzialisierung der Menschlichkeit
 

Ein neuer Anlauf zur Selbstentmächtigung der Politik
 
Im Solarbrief 3/98 hatten wir vom sog. MAI (Multilaterial Agreement on Investment) berichtet [1], einem Abkommen, das die multinationalen Konzerne endgültig vor Eingriffen der nationalen Legislativen in ihr Handeln "geschützt" hätte und das B. Senf deshalb nicht zu Unrecht als "Ermächtigungsgesetz für die Weltherrschaft des Kapitals" bezeichnet hat ([6], S. 279). Bedingt auch durch die entschlossenen Proteste vieler Nichtregierungsorgansisationen gegen das MAI und das Scheitern des WTO-Gipfels in Seattle im November 1999, ist das MAI glücklicherweise (vorläufig?) von der politischen Agenda verschwunden. An seiner Statt wird die Handlungs- und Gestaltungsfähigkeit der Politik nunmehr von einem weiteren, nicht minder gefährlichen Erzeugnis aus dem Gruselkabinett des Neoliberalismus in ihren Grundfesten bedroht: dem sog. GATS.
 
Die Abkürzung steht für "General Agreement on Trade in Services" (Allgemeines Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen). Im Gegensatz zum MAI handelt es sich beim GATS um ein bereits existierendes Abkommen: Es ist Bestandteil des Vertragswerks der 1995 gegründeten Welthandelsorganisation WTO. In den sog. GATS 2000-Verhandlungen geht es nun darum, welche Dienstleistungssektoren im einzelnen "liberalisiert" werden sollen. Die Marktöffnungsforderungen und -angebote der einzelnen WTO-Staaten sollen bis Ende März 2003 vorliegen. Im April 2003 beginnt der eigentliche Verhandlungsprozess, der bis Ende 2004 abgeschlossen sein soll.
 
Dem GATS liegen die folgenden, auf den ersten Blick eher unspektakulär und sogar halbwegs plausibel klingenden Grundprinzipien zugrunde:

Tatsächlich jedoch können diese Prinzipien dazu missbraucht werden, die Regelungsmöglichkeiten der nationalen Demokratien weitgehend auszuhebeln. Einige wenige Beispiele sollen die sich schon heute abzeichnenden Auswüchse illustrieren:

Natürlich ließe sich diese Liste fast beliebig fortsetzen. Zwar sind staatliche Regulierungen grundsätzlich noch möglich, sie unterliegen jedoch einem "Notwendigkeitstest", d.h. der Nationalstaat muss nachweisen, dass die betreffende Maßnahme die am wenigsten handelshemmende aller denkbaren ist (Artikel VI). Gelingt der Nachweis nicht, kann er vom Schiedsgericht der WTO gezwungen werden, das Gesetz aufzuheben. Auf diese Weise könnten praktisch alle nationalen Umweltauflagen ebenso wie Qualitätsrichtlinien und Mindeststandards aller Art als "Handelshemmnisse" angegriffen und sicherlich großenteils zu Fall gebracht werden. Dazu ein Beispiel aus einem bereits existierenden Freihandelsabkommen:
 
"Die Öffnung des Trinkwassermarktes im Rahmen der Nordamerikanischen Freihandelszone NAFTA [...] führt dazu, dass Wasser aus der kanadischen Provinz British Columbia von dem US-amerikanischen Privatunternehmen Sun Belt nach Kalifornien exportiert wird. Nachdem die Provinzregierung die Genehmigung hierfür aus Gründen des Gewässerschutzes wieder zurücknahm, strengte Sun Belt eine Klage nach dem Investorenschutz unter NAFTA an. Der Fall ist bislang nicht entschieden." [5]
 
Besonders besorgt uns die Möglichkeit, dass das GATS evtl. dazu benutzt werden könnte, die Förderung der erneuerbaren Energien zu torpedieren, etwa indem die Abnahmeverpflichtungen und Mindestpreisregelungen des EEG als "Handelshemmnis" und unnötig restriktive staatliche Regulierung angegriffen werden. Dass diese Befürchtung nicht völlig abwegig ist, zeigen die früheren Versuche, die Regelungen des damaligen Stromeinspeisungsgesetzes und auch des EEG als Behinderung des freien Warenverkehrs zu "interpretieren" (siehe z.B. [2]). Auch wenn diese Versuche glücklicherweise vor dem Europäischen Gerichtshof im März 2001 vorerst gescheitert sind, so ist es ihnen doch "gelungen", für geraume Zeit massive Verunsicherung zu stiften, ob das EEG Bestand haben würde.


 

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Auch öffentliche Dienste unterliegen dem GATS

Von den Befürwortern des GATS wird argumentiert, Konsequenzen wie die soeben geschilderten könnten schon deshalb nicht eintreten, weil öffentliche Dienstleistungen wie etwa Bildung, Wasserversorgung oder Gesundheit gar nicht unter das GATS fielen. Solche Beschwichtigungen sind wenig glaubhaft: Gemäß Artikel I.3.b umfasst das GATS grundsätzlich alle Dienstleistungen, die nicht "in Ausübung hoheitlicher Gewalt" erbracht werden. Öffentliche Dienste können nur dann ausgenommen werden, wenn sie WEDER "im Wettbewerb" mit anderen Anbietern NOCH "auf kommerzieller Basis" erbracht werden (Artikel I.3.c); insbesondere müssen sie vollständig staatlich finanziert sein, was bereits heute in den seltensten Fällen zutrifft: Selbst die Arzneimittelzuzahlungen stellen ja eine "kommerzielle Basis" dar. Insofern sind praktisch alle öffentlichen Bereiche potentielle Objekte des GATS.
 
Fällt eine Dienstleistung aber erst einmal in den Anwendungsbereich des GATS, so unterliegt sie einer progressiven Liberalisierungspflicht (Artikel IXX): Der Staat ist rechtlich verpflichtet, in weiteren Verhandlungsrunden den Marktzugang zu erleichtern. Einmal durchgeführte Liberalisierungen können praktisch nicht mehr rückgängig gemacht werden, da dies Regressforderungen der betroffenen Anbieter für entgangene Gewinne nach sich ziehen würde.
 
Dass es beim GATS sehr wohl um die Kernbereiche staatlicher Daseinsvorsorge geht, zeigt der am Ende Februar bekannt gewordene Forderungskatalog der EU an 109 WTO-Staaten, darunter 94 Entwicklungs- und Schwellenländer, der weitgehende Liberalisierungsforderungen u.a. in den Bereichen Wasserversorgung, Energieversorgung, Post und Telekom, Transport, Tourismus sowie Finanzdienstleistungen enthält; u.a. wird von 72 dieser Staaten die Liberalisierung der Trinkwasserversorgung verlangt. "Darüber hinaus haben die USA Interesse an der Liberalisierung des Bildungssektors angemeldet, und die privaten US-Krankenversicherer beschweren sich bereits über den "schwierigen Marktzugang" im Ausland." [8] Die Summen, um die es dabei geht, sind auch zu verlockend: "Die Weltbank schätzt den weltweiten Markt für Wasserversorgung auf jährlich 800 Milliarden Dollar, den für Bildung auf 2000 Milliarden Dollar und jenen für Gesundheitsdienstleistungen auf 3500 Milliarden Dollar. Die EU-Kommission gibt unverblümt zu: 'Das GATS ist [...] zuallererst ein Instrument zugunsten des Geschäftemachens' (first and foremost an instrument for the benefit of business)." [8] Der ehemalige WTO-Direktor Renato Ruggiero erklärte: "Das Dienstleistungsabkommen GATS umfasst Bereiche, die noch nie zuvor als Handelspolitik angesehen wurden. Ich vermute, dass weder die Regierungen noch die Geschäftswelt die volle Reichweite und den Wert der eingegangenen Verpflichtungen erkannt haben." [8]
 
Bezeichnend dabei ist, dass sich - wie schon beim MAI-Prozess - die Verhandlungen zum GATS trotz (oder gerade wegen?) ihrer weitreichenden und buchstäblich einschneidenden Folgen weitgehend ohne Beteiligung von Parlamenten und Öffentlichkeit und damit ohne ausreichende demokratische Legitimation und Kontrolle abspielen und somit vorwiegend von den einflussreichen Lobbyistengruppen geprägt werden. In aller Stille wird so die Unterwerfung der nationalen Demokratien unter die Diktatur des "freien" Marktes und die Aushebelung der staatlichen Souveränitätsrechte vorbereitet.


 

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Die Gefahren der Privatisierung

Durch das GATS droht somit die Privatisierung und Kommerzialisierung fast aller Gemeinschaftsaufgaben und öffentlichen Dienste, die Kommerzialisierung von Menschlichkeit und Solidarität. Auch so zentrale Bereiche wie Bildung, Gesundheit, Umweltschutz, Wasserversorgung etc. würden zu bloßen Spielfeldern des Wettbewerbs degradiert, Patienten würden zu "Konsumenten von Gesundheitswaren", Schüler und Studenten zu "Konsumenten von Bildungswaren" usw. Eine flächendeckende Versorgung mit den Basisdienstleistungen wäre nicht mehr sichergestellt: "Sie können beispielsweise in ländlichen Regionen oder für Bevölkerungsgruppen mit geringer Kaufkraft nicht profitabel angeboten werden. Private Firmen werden daher häufig diese Dienste nicht bereit stellen, und sich dort, wo sie durch öffentliche Auflagen dazu gezwungen werden, womöglich ganz zurück ziehen, wie im Fall der Wasserversorgung in Zimbabwe. Dort hatte sich die britische Firma Biwater aus einem größeren Wasserverteilungsprojekt zurückgezogen, weil dort nicht der geforderte Preis gezahlt werden konnte." [5]
 
Derartiges droht aber nicht nur in Zimbabwe, sondern auch in den entwickelten Ländern. Ein trauriges Anschauungsbeispiel ist der Niedergang des englischen Bahnsystems nach der Privatisierung: "Bahn in 100 Unterfirmen zersplittert. Seit der Privatisierung jagt ein Unfall den anderen. 80 Prozent aller Züge kommen zu spät an. Keine Investitionen mehr in Infrastruktur. Signalübertretungen an der Tagesordnung, die Hälfte aller Gleisarbeiter wurde eingespart. Zu wenige Garnituren, Waggons hoffnungslos veraltert, ständig überfüllt. Preise steigen in Stosszeiten auf das Dreifache des Normalpreises." [10] In Kalifornien kam es nach der Liberalisierung des Strommarktes zu ausgedehnten Zusammenbrüchen der Stromversorgung. Und die Pharma-Industrie investiert schon heute lieber in medizinisch letztlich unnötige Lifestyle-Produkte als in die Entwicklung von Medikamenten zur Bekämpfung seltener (oder nur in armen und insofern irrelevanten Ländern auftretender) Krankheiten.
 
Privatisierung und "Liberalisierung" von Dienstleistungen führt dazu, dass diese sich nicht mehr an den Bedürfnissen der breiten Bevölkerung orientieren, sondern allein den Marktgesetzen unterliegen. Es ist aber völlig absurd anzunehmen, dass der vom Markt gefundene Ausgleich egoistischer Einzelinteressen automatisch die gesamtgesellschaftliche Wohlfahrt maximiert, wie es uns die Marktgläubigen unverdrossen verheißen, obwohl sie durch das allenthalben zu beobachtende Marktversagen permanent widerlegt werden.
 
Besonders fatal wäre es, den Bildungsbereich dem Markt zu überlassen. Zu welchen Absurditäten dies führt, mag eine Episode verdeutlichen, die sich an der von Coca-Cola gesponsorten Greenbriar-Highschool in Evans, Georgia zugetragen hat: "Eine Bedingung des Sponsoring war die Veranstaltung eines Coca-Cola-Tages. Statt dem üblichen Unterricht sollten die Schüler alles über die schwarze, sprudelnde Flüssigkeit lernen. Zudem wurden sie angewiesen, an diesem Tag nur in Coca-Cola-T-Shirts zur Schule zu kommen, und sie sollten sich für eine Werbeaktion von Coca-Cola in einer Formation aufstellen, die den Namenszug 'Coke' nachbildete. Ein gewisser Mike Cannon, der an diesem Tag in einem Pepsi-T-Shirt zur Schule kam, wurde für dieses 'Vergehen' prompt vom Unterricht ausgeschlossen." [7]
 
Weitaus gefährlicher ist freilich etwas anderes: Durch die Privatisierung oder besser Ökonomisierung des Schul- und Hochschulwesens käme es zu einer systematischen Reduktion von Bildung auf die bloße Vermittlung von berufsrelevanten und für die Wirtschaft "interessanten" Fertigkeiten. (Auch hierfür bietet der "Notwendigkeitstest" des GATS eine direkte Handhabe: Private "Bildungsanbieter" könnten gegen die verbindliche Festschreibung von Studieninhalten mit der Begründung vorgehen, diese seien für die spätere berufliche Praxis entbehrlich und stellten daher eine unnötige "Handelseinschränkung" dar.) Das faktische Ende der Freiheit von Forschung und Lehre und deren Unterordnung unter die Interessen der Geldgeber wäre besiegelt. (So ist es etwa an der University of Oregon verboten, über Arbeitsbedingungen der Firma Nike zu forschen, da Nike ein Hauptsponsor der Universität ist. [9]) Die sog. Orchideenfächer und überhaupt alles, was keine oder nur geringe praktische Nutzanwendung verspricht, was aber die kulturellen Errungenschaften unserer Zivilisation ausmacht, uns auf eine höhere Dimension als die der Gewinnmaximierung verweist oder aber einfach nur "schön" ist, bliebe auf der Strecke: Ägyptologie, Byzantologie, reine Mathematik, Literaturwissenschaft, Theologie, Philosophie, Ökologie, Wirtschaftsethik ... Und auf der Strecke bliebe die vornehmste Aufgabe von Bildung: die Erziehung zum kritischen Denken, zur intellektuellen Autonomie als "Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit" (Immanuel Kant). Es sind dies genau die Qualitäten, die so dringend nötig sind, um die Herausforderungen der Zukunft zu bewältigen.
 
Das totale Versagen des Marktes in kultureller Hinsicht wird evident, wenn man sich den intellektuellen Unterbietungswettbewerb vergegenwärtigt, den die Einführung des Privatfernsehens auch bei uns ausgelöst hat. Erich Fromm schrieb dazu bereits in den 50er Jahren aus seinen Erfahrungen in den USA: "Wir bieten jedermann täglich Rundfunk, Fernsehen, Filme und Zeitungen. Statt dass diese Medien uns aber täglich neben der Reklame das Beste aus der früheren und gegenwärtigen Literatur und Musik bieten, stopfen sie die Köpfe mit billigstem Schund, dem jeder Bezug zur Realität abgeht, voll, und mit sadistischen Phantasien, die so sind, dass sich jeder nur halbwegs gebildete Mensch schämen würde, wenn er ihnen auch nur vorübergehend nachhinge. Und während so das Denken von jedermann, ob jung oder alt, vergiftet wird, achten wir unverdrossen weiter darauf, dass nichts 'Unmoralisches' auf den Bildschirm kommt. Jeder Vorschlag, die Regierung solle die Herstellung von Filmen und Radioprogrammen finanzieren, würde nur immer wieder auf Entrüstung und Vorwürfe im Namen von Freiheit und Idealismus stoßen." ([3], S. 12)
 
Zu den Verlierern des GATS würden insbesondere auch die Entwicklungsländer zählen: Gerade durch die zwingende Gleichbehandlung von armen und reichen Ländern ("Meistbegünstigung") wird die gezielte Förderung des Aufbaus einer einheimischen Infrastruktur unmöglich gemacht. Es zeigt sich hier, dass der auf den ersten Blick so einleuchtende Gleichheitsgrundsatz des GATS ein sehr naiver ist: Er widerspricht der gängigen juristischen Interpretation von Gleichheit, wonach nämlich Gleiches gleich, Ungleiches jedoch ungleich zu behandeln ist. Das GATS hingegen möchte alle Anbieter unterschiedslos gleich behandeln, den kleinen kambodschanischen Bauern nicht anders als den multinationalen Agrar-Konzern; es ist ja nicht einmal klar, ob Anbieter wenigstens danach unterschieden werden dürfen, ob sie umweltfreundliche oder -schädliche Methoden anwenden, oder ob dies bereits einen Verstoß gegen die Gleichbehandlung darstellt! Es offenbart sich hier eine bedenkliche Reduktion von Gerechtigkeitsvorstellungen auf eine Art "Fairness-Ethik", wie sie Erich Fromm in seiner Analyse der Marketing-Orientierung beschrieben hat: "Ein Gewissen existiert nur, wo der Mensch sich als Mensch und nicht als Ding, als Ware erlebt. In Bezug auf die Dinge, die auf dem Markt getauscht werden, existiert ein anderes, quasi-ethisches Gesetz, das Gesetz der Fairness. Hierbei geht es darum, dass man Dinge zu einem fairen Preis tauscht und dass der Handel ohne üble Tricks und ohne Gewaltanwendung abgeschlossen wird. Diese Fairness, die weder gut noch böse ist, ist das sittliche Prinzip des Marktes, und sie ist das sittliche Prinzip, welches das Leben der Marketing-Persönlichkeit beherrscht. Das Prinzip der Fairness führt zweifellos zu einem bestimmten Typ sittlichen Verhaltens. Man lügt nicht, man betrügt nicht und wendet keine Gewalt an - man gibt sogar dem anderen eine Chance -, wenn man sich an das Gesetz der Fairness hält. Aber seinen Nächsten zu lieben, sich mit ihm eins zu fühlen, sein Leben dem Ziel hinzugeben, seine geistigen Kräfte zu entwickeln, das gehört nicht zur Fairness-Ethik. Wir leben in einer paradoxen Situation: Wir praktizieren die Fairness-Ethik und bekennen uns zur christlichen Ethik." ([3], S. 151)
 
Hinzuzufügen bleibt, dass das Gerechtigkeitsverständnis des GATS aber noch nicht einmal diesen Minimalanforderungen der "Fairness" genügt: Den privaten Anbietern werden einseitig Rechte eingeräumt, denen angesichts des Fehlens eines internationalen Haftungs- wie auch Wettbewerbsrechts keine adäquaten Pflichten gegenüberstehen. Es gilt, was C. Nürnberger bereits im Hinblick auf das MAI konstatiert hat: "Der Investor darf zwar den Staat verklagen, aber nicht der Staat den Investor." ([4], S. 172)
 
Angesichts der schier ungeheuerlichen Bedrohungen für die Handlungsfähigkeit demokratisch legitimierter Politik, die vom GATS ausgehen, kann es daher nur eines geben: den sofortigen Verhandlungsstopp!


 

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Quellenangaben und weitere Informationen

[1] Fell, Hans-Josef: MAI - Ein Abkommen zur Vorherrschaft der Konzerne, Solarbrief 3/98, S. 29
 
[2] Fabeck, Wolf von: Windstrom aus Portugal - Vorwand für die EU-Wettbewerbskommission, SFV-Rundmail 25.11.2000, http://www.sfv.de/lokal/mails/rundmail/p0011250.htm
 
[3] Fromm, Erich: Wege aus einer kranken Gesellschaft, dtv, München 1955
 
[4] Nürnberger, Christian: Die Machtwirtschaft - Ist die Demokratie noch zu retten? dtv, München 1999
 
[5] Reichert, Tobias; Schaub, Martina: Liberalisierung, Regulierung und Demokratie - Der internationale Handel mit Dienstleistungen im Rahmen des GATS. Bericht von der internationalen Konferenz: "Zu wessen Diensten? Das Abkommen zum internationalen Dienstleistungshandel (GATS) und die Folgen für eine nachhaltige Entwicklung" am 21. und 22. Mai 2001 in Bonn, http://www.umweltbundesamt.de/uba-info-daten/daten/gats.htm
 
[6] Senf, Bernd: Die blinden Flecken der Ökonomie - Wirtschaftstheorien in der Krise, dtv, München 2002
 
[7] Schon vom GATS gehört? Internet-Veröffentlichung von Attac: http://www.attac-netzwerk.de/gats/schonvomgatsgehoert.pdf
 
[8] Was ist das GATS? Stellungnahme von Attac Österreich, in: Sand im Getriebe 11/2002, http://www.stoppgats.at/0200/0201.php
 
[9] GATS und Bildung, Internetveröffentlichung von Attac Österreich: http://www.stoppgats.at/0200/0205_1.php
 
[10] Österreich zum Schleuderpreis, in: Zeit-Fragen Nr. 7, 24.2.2003, http://www.zeit-fragen.ch/ARCHIV/ZF_102a/T14.HTM
 
---------------------------------------- Ende der erhaltenen Mail ----------------------------------------


 

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Teil B: Kommentar
 

Hinweis:
Die nachfolgenden Ausführungen geben die persönliche Meinung des Verfassers wieder. Dabei handelt es sich um eine vorläufige Bewertung und nicht um eine rechtliche Abhandlung unter Einbeziehung von in diesem Bereich vorhandener einschlägiger Gerichtsentscheidungen oder Kommentarmeinungen.
 
 
zu Europa
 
Ich weiß nicht genau, von wem wir derzeit regiert werden, von Rot-Grün, von der EU-Kommission, von der WTO? Aber ganz sicher geht die Staatsgewalt nicht mehr vom Volke aus (Art. 20 Abs. 2 GG). Sie ging dem Volk vielmehr allmählich aus. Bei der EU-Kommission handelt es sich nach meiner Ansicht um ein nicht demokratisch legitimiertes Gremium. Die Kommissare werden von den Regierungen der Mitgliedsländer entsandt, wobei das Europäische Parlament zwar der endgültigen Ernennung zustimmen muss, aber ebensowenig wie das Volk die Möglichkeit zur Wahl bestimmter Personen hat. Wenn man nun annimmt, unsere Bundesregierung sei ja schließlich vom Volk gewählt, stimmt das auch nicht. Nur der Bundeskanzler wird gewählt, allerdings vom Parlament. Er schlägt die Minister dann dem Bundespräsidenten zur Ernennung vor. Die stärkste Fraktion bzw. Koalition wählt den Bundeskanzler. In einem EU-Kommissar oder einer Kommissarin findet sich daher als "in vierter Potenz abgeleitete Größe" (Volk - 1. Parlament - 2. Kanzler - 3. Mininster [zusammen: Regierung] - 4. EU-Kommissare [aus allen EU-Staaten]) nur noch ein vernachlässigbar geringer Bruchteil des (indirekten) Wählerwillens wieder. Letztendlich wäre eine Legitimation durch das deutsche, französische, britische oder sonstige Nationalvolk auch deshalb vollkommen unlogisch, weil die Kommission z.B. bei der Festsetzung von Strafen gegen deren jeweilige Staaten und somit wiederum gegen das Volk vorgehen kann, das ja letztlich die Strafen zu zahlen hat. Aber auch die Gesamtheit des europäischen Volkes wählt keine Kommissare (vgl. oben). Ein weiteres Problem ist die ungeheure Machfülle dieser Kommissare. Sie sind nicht mehr weisungsgebunden, die Kommission hat alleiniges Initiativrecht für Gesetzesentwürfe, führt die Gesetzes aus, stellt den Vorentwurf des Haushalts auf, sie ist gar "Hüterin der EU-Verträge". Allein dies stellt schon einen ungeheuerlichen Verstoß gegen die in unserem Grundgesetz festgeschriebene Rechtsordnung dar, da von einer Gewaltenteilung hier nicht mehr die Rede sein kann (zugleich Exekutive und Legislative).
 
Wer hier "Europafeindlichkeit" herausliest, täuscht sich. Ein in Harmonie, Freundschaft und göttlichem Geist vereintes Europa ist eine großartige Vision, wofür sich ein Einsatz lohnt. Einem Europa, das dem Frieden, dem Völkerverständnis und dem Leben dient, einem Europa der Verantwortung in Freiheit und der Gerechtigkeit, gehört die Zukunft. Zuerst muss jedoch das Fundament stimmen. Hierzu gehört die Achtung der Verfassungen der Mitgliedsländer, also auch unseres Grundgesetzes. Die Regierungen und Parlamente können keine Rechte an Einrichtungen abgeben, die sie selbst nicht besitzen. Der Bund kann zwar seine Rechte übertragen (Art. 24 GG), diese sind aber nicht unbedingt identisch mit den Rechten des Volkes. Die Staatsgewalt wird vom Volke unter anderem durch Wahlen und Abstimmungen ausgeübt. Wo war die Abstimmung über die Abgabe von Hoheitsrechten, über Maastricht, über den "Euro", wo blieb denn die Abstimmung über das Grundgesetz selbst? Wann war eigentlich die letzte "Bundesabstimmung"? Nebenbei bemerkt, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist (Art. 20 Abs. 4 GG). Geht also dem Volk im Staat die Gewalt doch nicht aus? Zumindest die "Ewigkeitsklausel" des Art. 79 Abs. 3 GG scheint es keinem multinationalen "Moloch" zu erlauben, den Souverän ganz auszuschalten. Aber auch hier scheint die Theorie der Praxis wieder einmal hinterher zu hinken.


 

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zu WTO, MAI, GATS usw.

Die Urheber der Abkommen und internationaler Vereinbarungen, wie z.B. MAI oder GATS, also die global agierenden Wirtschaftskonzerne, stellen sich – nach ihrer Ansicht zu Recht – auf den Standpunkt: "Wer zahlt schafft an!". Da die Staaten pleite sind und Geld nur noch in der Wirtschaft vorhanden ist, erwarten diese, dass sich ihnen alles beugt. Dies ist aber nichts anderes als dem "Mammon" zu dienen. Sie werden dabei unterstützt von willfährigen, kurzsichtigen und größtenteils wohl auch vollkommen ahnungs- und verantwortungslosen Politikern, die auch häufig mit der Wirtschaft in Abhängigkeiten verstrickt sind. Dabei wird vollkommen unterschlagen, dass diese Konzerne einen Großteil Schuld an der allgemeinen Finanzmisere tragen. Auch wird vergessen, dass die Wirtschaft kein Selbstbedienungsladen ist, alles Geld von den Bürgern als Konsumenten oder Steuerzahlern stammt, die Staatsgewalt immer noch vom jeweiligen Volke ausgeht (zumindest theoretisch) und die Staaten nach Völkerrecht souverän sind, die weder von einer äußeren politischen noch von einer wirtschaftlichen Macht zu einem bestimmten Tun oder Unterlassen gezwungen werden dürfen. Ausnahmen hiervon sind nur zulässig, wenn von dem Staat selbst Gewaltakte gegen andere ausgehen (z.B. völkerrechtswidriger Angriffskrieg).
 
Wer jetzt noch meint, das interessiere ihn alles nicht, denn uns geht's ja noch gut, wird schon bald merken, dass er sich getäuscht hat (oder auch getäuscht wurde). Bereits heute leiden besonders Menschen in ärmeren Ländern an den Folgen der Globalisierung: Ausbeutung durch Hungeröhne, keinerlei soziale Sicherung, Verbot gewerkschaftlicher Tätigkeit, Zerstörung der Umwelt, Kostenexplosion für Trinkwasser bei gleichzeitigem Verbot des Sammelns von Regenwasser (Bolivien). Schon längst sind die Auswirkungen auch bei uns zu spüren: Abbau von Arbeitsplätzen, allgemeine Teuerung, Privatisierung der von den Bürgern vorfinanzierten Staatsbetriebe (Bahn, Post, Telekom) bei gleichzeitigem Abbau einer flächendeckenden Versorgung. Als nächstes will man an unser Trinkwasser ran. Statt von Risiken und Chancen der Globalisierung zu faseln, sollten wir uns darüber im Klaren sein, dass eine entfesselte Wirtschaft letztlich den Staat in Fesseln legt. Wenn die Staaten heute nicht handeln, können sie bald allenfalls nur noch über ihre Kapitulation verhandeln. Die Steuerungsmöglichkeiten, die sie in grober Verkennung der Auswirkungen aus der Hand gegeben haben, müssen sie jetzt wieder an sich nehmen. Wir haben uns in der Bundesrepublik Deutschland die Demokratie bisher nicht erkämpfen müssen (Ausnahme: Wende in den neuen Ländern, aber auch hier wurden die Weichen eigentlich woanders gestellt), vielleicht sind wir deshalb so bequem geworden. Aber es gilt hier ganz besonders der Satz: "Wer in der Demokratie schläft, wacht in der Diktatur auf." Also wachen Sie lieber heute auf, sonst droht ein böses Erwachen!
 
(Bücher und Beiträge hierzu:


 

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Teil C: Fakten
 

Wirtschaft und Staat dienen in erster Linie den Menschen und sind kein Selbstzweck.
 
Nach Jahrhunderte langen Kämpfen hat sich – hauptsächlich in den westlichen Industriestaaten – eine Rechtsordnung herausgebildet, die große individuelle Freiheiten mit gesellschaftlichen Interessen verbindet. Es wird akzeptiert, sich staatlicher Macht unterzuordnen, soweit diese der Allgemeinheit und damit letztlich dem Einzelnen dient und sich diese vom Volk kontrollierte Macht innerhalb der Grenzen der sog. Rechtsstaatlichkeit bewegt. Dies bedeutet z.B. Schutz bestimmter Grundrechte, Rechtsklarheit und Rechtssicherheit, Verhältnismäßigkeit der Mittel (Übermaßverbot), Subsidiarität bzw. nur so viel staatliche Macht wie nötig und so viel Freiheit wie möglich. Die persönlichen Freiheiten oder die bestimmter Verbände oder Organisationen finden jedenfalls dann ihre Grenzen, wenn durch die jeweiligen Handlungen oder Maßnahmen in die Rechte anderer eingegriffen wird. Wenn auch oft aus Gründen des Rechtsfriedens formale Gesetzmäßigkeit (d.h. ein zuständiges Organ hat eine Norm erlassen, die zu beachten ist) über materielle Gerechtigkeit geht (eine Norm wird allgemein und objektiv als fair oder gerecht angesehen), besteht doch noch ein gesellschaftlicher Konsens, dass ein Mindestmaß an Gerechtigkeit gelten und eine Abwägung zwischen verschiedenen Rechtsgütern mit unterschiedlicher Gewichtung stattfinden muss. Wirtschaftlicher Egoismus und Eigennutz sind zwar in einer freiheitlichen Rechtsordnung erlaubt und werden gar bis zu gewissen Grad gefördert (z.B. steuerliche Anreize), sie müssen aber jedenfalls spätestens dann eingedämmt werden, wenn höherrangige Interessen durch diesen Eigennutz gefährdet werden: Demokratie, staatliche Souveränität, Umweltschutz, Gesundheit, Gerechtigkeit und Frieden. Zum Schutz dieser Rechtsgüter ist der Staat gefordert, aktiv einzugreifen und Missbräuche zu verhindern. Staatliche Gewalt, wirtschaftliche Macht und die Interessen Einzelner müssen sich stets an diesen Grenzen messen lassen. In einer Gesellschaft, welche diese Werte und Grenzen anerkennt, können Staat oder Wirtschaft kein Selbstzweck sein, sondern müssen sich diesen Zielen unterordnen.


 

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Alles Geld wurde von den Konsumenten, Kunden oder Bürgern erwirtschaftet

Jeder Dollar, jeder Euro, jeder Cent, der verdient oder "erwirtschaftet" wurde, stammt von den vielen "kleinen Leuten", den Privathaushalten, sei es als Konsumenten oder Steuerzahler. Zwar haben diese auch Leistungen dafür erhalten, diese hatten jedoch – wie aus den nachfolgenden Gründen hervorgeht – einen wesentlich geringeren Wert. Die Bürger zahlen neben den tatsächlichen Herstellungskosten, ineffizientes Missmanagement, einen großen Verwaltungsapparat, großzügige Gewinnmarchen oder Abfindungen für geschasste Manager und die unselige Zinslast. Wenn man also nach dem Motto "Wer zahlt schafft an!" verfahren würde, müsste alle Macht wieder in den Händen der Bürgerschaft sein.


 

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Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus!
 

Artikel 20 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) ist insoweit eindeutig. Die Staatsgewalt wird vom Volke (unmittelbar) in Wahlen und Abstimmungen und (mittelbar) durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt (Regierung bzw. Verwaltung – Exekutive) und der Rechtsprechung (Gerichte) ausgeübt (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG). Diese besonderen Organe sind auf Bundesebene der Bundestag (Art. 38 bis 48), der Bundesrat (Art. 50 bis 53), der Bundespräsident (Art. 54 bis 61), die ihn wählende Bundesversammlung (Art. 54 Abs. 3), die Bundesregierung (Art. 62 bis 69) und die für verschiedene Gebiete zuständigen Gerichte (Art. 92 bis 104). Diese wirken auf unterschiedliche Weise bei der Setzung staatlicher Rechtsakte (Gesetz, Verordnung, Anordnung, Urteil) als Organ einer der drei Gewalten mit. So sind z.B. die Kompetenzen für das ordnungsgemäße Zustandekommen von Bundesrecht detailliert beschrieben (Art. 70 bis 82). Auf Ebene der Länder und Kommunen gibt es ebenfalls ähnliche Organe in den drei Bereichen (bei Kommunen zwei, da keine Kommunalgerichte). Das Volk handelt somit also selbst in Wahlen und Abstimmungen oder durch die vorgenannten besonderen Organe. Andere als die genannten Organe sind nach Art. 20 Abs. 2 GG nicht zulässig. Zu den besonderen Organen der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung gehören z.B. nicht: das Europäische Parlament, die EU-Kommission, der Europäische Gerichtshof (EuGH), die UNO, die NATO, die WTO, die WHO usw. Dies sind keine Organe oder Organisationen des Bundes (oder der Länder) und insbesondere nicht ausschließlich vom deutschen Volk legitimiert sind (vgl. hierzu weiter unten).
 
Alle direkt vom Volk gewählten Organe (Bundestag, Landtage, Bezirks-, Kreis-, Stadt- und Gemeinderäte, Landräte und erste Bürgermeister) sowie die von diesen abgeleiteten Organe (Ausschüsse, Bundes- und Länderregierungen, Bundesrat, Bundesversammlung, Bundespräsident, Richter, Bundeskanzler, Ministerpräsidenten, Bundes- und Länderminister) stützen ihre Legitimation letztlich ausschließlich auf das in ihrem jeweiligen Zuständigkeitsbereich wohnende und wahlberechtigte (deutsche) Staatsvolk. Von diesem Grundsatz wurde bisher hauptsächlich bei Kommunalwahlen eine Ausnahme für EU-Staatsangehörige gemacht, was nach meiner Auffassung bereits verfassungsrechtlich bedenklich ist. Mit dem "Volke" kann nur das deutsche Staatsvolk (die Bürger und Bürgerinnen) gemeint sein. Dies ist keinesfalls diskriminierend für Bewohner ausländischer Herkunft (auch europäischer Staaten), sondern eine Selbstverständlichkeit für jeden souveränen Staat. So sind z.B. die Abgeordneten auch Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen (Art. 38 Abs. 1). Für Abgeordnete der Länderparlamente sowie für kommunale Mandatsträger gilt dies in ihrem jeweiligen Bereich entsprechend.
 
Wegen des Begriffs "alle Gewalt" ist jede nicht (ausschließlich) vom (gesamten) Staatsvolk legitimierte Form staatlicher Gewalt unzulässig! Andere als die vom Volke ausgehenden Akte staatlicher Gewalt kann es demnach nicht geben; sie wären verfassungswidrig! Die in Klammern gesetzten Zusätze sind zwar nicht im Wortlaut des Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG genannt, doch müssen sie selbstverständlich nach Sinn und Zweck der Bestimmung hineininterpretiert werden, da ansonsten dieser Verfassungsgrundsatz ausgehöhlt, verdreht oder ins Gegenteil verkehrt werden könnte. Beispiele: Wäre zur Wahl des Deutschen Bundestags zwar das gesamte deutsche Volk aber auch alle türkischen Staatsangehörigen aufgerufen (nicht ausschließlich), wäre dies ebenso unzulässig, wie wenn nur die Bürger der neuen Bundesländer wahlberechtigt wären (nicht gesamt). Damit scheidet jede Beteiligung anderer Staatsangehöriger oder internationaler Organisationen (auch der EU) an Akten der in Deutschland verfassungsrechtlich legitimierten Gewalt eindeutig aus.
 
Nur die im Grundgesetz genannten besonderen Organe sind für das Volk handlungsberechtigt. Sie müssen auch selbst handeln. Da sie ja vom Volk beauftragt wurden, können sie diesen Auftrag nicht an vom Volk nicht legitimierte Gremien oder Organisationen weiter abgeben. Dies könnte nämlich im Extremfall sonst zu einem "Rattenschwanz" von Delegation und Unterdelegationen führen, wo am Ende vollkommen offen bliebe, welche Personen oder Gremien zur Entscheidung überhaupt befugt sind. Es wäre damit überhaupt nicht mehr möglich, die Entscheidungsträger demokratisch zu kontrollieren. Jedem würde einleuchten, dass es z.B. undenkbar wäre, wenn der Bund seine Entscheidungsbefugnisse an die Firma Microsoft, an McDonald's, an das französiche oder das chinesische Parlament abgeben würde.
 
In diesem Zusammenhang sind besonders Artikel 23 GG, der sog. "Europaartikel", sowie Art. 24 GG zu erwähnen. Hiernach kann der Bund zur Verwirklichung eines vereinten Europas oder zugunsten zwischenstaatlicher Einrichtungen Hoheitsrechte übertragen. Aber sind es wirklich eigene Rechte des Bundes oder nicht vielmehr Rechte des Staatsvolkes? Im Kern ist dies eine verfassungswidrige Übertragung des vom Volk erteilten Auftrags wie oben geschildert. Wenn dem so ist, gibt es einen Widerspruch der Artikel 23 und 24 zu Artikel 20 GG. Eine Änderung des Grundgesetzes, durch welche die in Artikel 20 niedergelegten Grundsätze berührt (insbesondere eingeschränkt) werden, ist aber nach Art. 79 Abs. 3 GG unzulässig. Ist also unsere Verfassung teilweise selbst verfassungswidrig? Artikel 79 Abs. 3 GG kann aber nie selbst geändert oder aufgehoben werden. Dies ist nur möglich wenn sich das Volk selbst und unmittelbar eine neue Verfassung gibt.
 
Übrigens heißt unsere Verfassung immer noch Grundgesetz, weil dieses wegen der deutschen Teilung nur Übergangscharakter haben sollte und das gesamte deutsche Volk nach dem früheren Artikel 23 aufgefordert war, die Einheit Deutschlands zu vollenden und sich in freier Entscheidung eine eigene Verfassung zu geben. Diese Freiheit wurde dem deutschen Volk aber wiederum verwehrt (wie auch das in Art. 20 genannte Recht zu Abstimmungen dauernd verwehrt wird) und wieder handelten Vertreter an Stelle des Volkes. Mit dem Einigungsvertrag wurde der alte Artikel 23 kassiert und dafür der "Europaartikel" geschaffen, womit man eine Begründung für die dauernde Entrechtung unseres Volkes gefunden hat.
 
Warum sollten gerade Verträge oder Handelsvereinbarungen mit internationale Organisationen, welche keinerlei demokratische Legitimation besitzen, für unser Land irgendeine Gültigkeit beanspruchen? Besonders dann, wenn – wie oben ausgeführt – diese Verträge unter gravierenden Verstößen gegen das Grundgesetz geschlossen worden sind? Warum sollten wir Strafe zahlen müssen, weil wir solche ungerechten Knebelverträge weder abschließen noch einhalten wollen? Warum sollten wir zahlen, weil wir EU-Richtlinien nicht rechtzeitig in nationales Recht umgesetzt haben? Bei diesen Vereinbarungen handelt es sich auch nicht um allgemeine Regeln des Völkerrechts im Sinne des Art. 25 GG, welche als Bestandteil des Bundesrechtes den Gesetzen (nicht der Verfassung = Grundgesetz) vorgehen und Rechte und Pflichten unmittelbar für die Bewohner des Bundesgebietes erzeugen.
 
Alle Rechtsakte, Gerichtsentscheidungen oder Verträge, die den in Art. 20 GG niedergelegten Grundsätzen entgegen stehen, sind verfassungswidrig und wegen der Schwere und Offensichtlichkeit des Verstoßes sogar nichtig. Mit Art. 20 unvereinbar sind demzufolge auch alle Gesetze, Verordnungen usw., die zwar in formal zulässiger Form durch das jeweils zuständige Organ erlassen wurden, aber nicht aufgrund eigener Überlegungen und in freier Entscheidung verabschiedet worden sind. Hierzu dürften insbesondere Richtlinien der EU oder Entscheidungen des EUGH oder die Umsetzung von Vereinbarungen (GATS) gehören, welche nur noch formal "abgenickt" werden müssen, ohne dass hier eine Möglichkeit der Ablehnung oder Modifizierung bestünde. Ein solches Verfahren ist dem Parlament eines souveränen Staates unwürdig. Es sei hier nochmals besonders deutlich an Art. 38 Abs. 1 GG erinnert, wonach die Abgeordneten (ausschließlich) Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen sind. Die derzeitige Vorgehensweise verstößt nach meiner Auffassung in eklatanter Weise gegen diesen Grundsatz und dürfte eigentlich nur als Angriff gegen den Staat bezeichnet werden.


 

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Auch in einer globalisierten Welt besteht eine Souveränität der einzelnen Staaten

Weil die einzelnen Nationalstaaten sich mittlerweile fast jeglicher Handlungs- oder Gestaltungsmöglichkeiten, insbesondere im wirtschaftlichen Bereich, entledigt haben, heißt das nicht, dass es diese Staaten jetzt nicht mehr gibt. Nach den (theoretisch) immer noch verbindlichen allgemeinen Regeln des Völkerrechts sind diese Staaten immer noch der Souverän ihrer jeweiligen Rechtsordnung. Auch kann jetzt nicht "die Wirtschaft" in zulässiger Weise das entstandene Machtvakuum füllen. Wenn es (de facto) keine souveränen Staaten mehr geben sollte und andere Kräfte unter Verstoß gegen die Rechtsordnungen die Macht ausüben, schulden wir diesen jedenfalls keinen Gehorsam. Es würde dann bereits heute Anarchie oder das Recht des Stärkeren herrschen.


 

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Teil D: Konsequenzen - Was kann man denn überhaupt tun?
 

Möglichkeiten der Bürger
 
Wenn die ausgeführten Überlegungen zutreffen (was ich nicht sicher weiß, denn ich bin kein Jurist – aber bekanntermaßen wissen die auch nicht alles), dann besteht zumindest für jeden Bürger die Pflicht, auf diese Missstände hinzuweisen. Sei es durch Veröffentlichungen, in Diskussionen, Leserbriefe, Briefe an Abgeordnete oder Entscheidungsträger in Staat, Wirtschaft und Verwaltung oder durch Demonstrationen. Natürlich kann man versuchen, eine Partei zu wählen, die sich die Durchsetzung der hier gefundenen Grundsätze auf die Fahnen geschrieben hat. Aber jede Partei hat Vor- und Nachteile und man ist vielleicht mit manchen anderen Dingen dieser Partei nicht einverstanden. Dann muss man eben eine Abwägung treffen. Abgesehen davon, dass eine solche Partei in der heutigen Parteienlandschaft nicht erkennbar ist, stellt sich die Frage, ob diese denn die 5-Prozent-Hürde schaffen würde. Aber was spricht eigentlich dagegen, von den bereits in die Parlamente gewählten Parteien und Abgeordneten die Einhaltung unserer Rechtsordnung zu fordern? Dies kann sowohl in der öffentlichen Diskussion als auch durch entsprechende Verfassungsklagen versucht werden. Hier stellt sich jedoch die Frage, ob das Bundesverfassungsgericht eine Verletzung der Volkssouveränität anerkennen würde.
 
Wenn alle Staatsorgane dennoch versagen, bliebe nur noch das Recht zum Widerstand nach Art. 20 Abs. 4 GG. Dies wäre aber ein sehr ungewisser und gefährlicher Weg, den ich nicht unbedingt empfehlen möchte. Auch die Terroristen der RAF fühlten sich im Recht als sie die "großen Bosse" zum "Wohle des Volkes" umbrachten. Aber auch ein friedfertiger Widerstand bleibt nur Theorie, so lange tatsächliche (gewaltsame) Umsturzversuche nicht offenkundig sind. Das Widerstandsrecht gilt nämlich nur dann, wenn feststeht, dass irgend jemand es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen und wenn andere Abhilfe nicht möglich ist. Zur Abhilfe sind zunächst die verfassungsmäßig eingesetzten Organe zuständig. Erst wenn diese (gewaltsam) ausgeschaltet werden, kann sich jeder Bürger auf sein Widerstandsrecht berufen. Wenn ein Verfassungsorgan (z.B. Bundesregierung) etwas unternimmt, was unserem Grundgesetz widerspricht, kann ein anderes Organ (Gericht), insbesondere das Bundesverfassungsgericht, einen solchen Verstoß feststellen. Dies erfolgt aber nur auf Antrag. Der einzelne Bürger hat aber nur dann ein Antragsrecht, wenn er durch die öffentliche Gewalt in seinen subjektiven (persönlichen) Rechten verletzt worden ist und er zuvor den, meist langjährigen, Instanzenweg durchlaufen hat. Mir ist nicht bekannt, dass Einzelne oder Gruppen von Bürgern eine Verletzung der Volkssouveränität im Sinne des Artikel 20 Abs. 2 Satz 1 GG vor Gericht erfolgreich rügen konnten. Das Bundesverfassungsgericht betonte zwar die nationale Identität der Mitgliedsstaaten in der Europäischen Union und die tragende Rolle der nationalen Parlamente für ihre demokratische Legitimität ("Maastricht-Urteil" vom 12. Oktober 1993) sowie die Mitwirkungsrechte von Bundestag und Bundesrat, sah aber gleichwohl keine Veranlassung, die derzeit bestehenden Verhältnisse in der EU mit einer "de-facto Kommissionsregierung" zu beanstanden. Auch die Klage verschiedener Recht- und Wirtschaftsprofessoren wegen der Einführung des Euro wurde nicht zur Entscheidung angenommen.
 
Der Umstand, dass zwar der Inhalt und die Art der Durchsetzung der Grundrechte (außer Artikel 1 GG) jederzeit durch entsprechende Mehrheiten im Parlament geändert werden könnten, aber im Gegensatz hierzu gegen die unabänderbare Volkssouveränität keinerlei Rechtsschutz der Bürger bestehen soll, ist vollkommen unbefriedigend. Es wird höchste Zeit, dass das Bundesverfassungsgericht hier im Wege einer verfassungskonformen Auslegung ein solches Rechtsinstitut schafft.


 

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Möglichkeiten der Beamten

Die gewählten Volksvertreter sind anscheinend weder gewillt noch in der Lage, der Aushöhlung unserer demokratischen Rechtsordnung und ihrem allmählichen Verfall entgegen zu treten. Aufgrund ihrer Stellung dürften die Beamten derzeit die wohl einzige Gruppe sein, die diese Maschinerie noch aufhalten könnte. Ohne den viel gescholtenen "Verwaltungsapparat" läuft nämlich nichts im Staate.
 
Vielleicht ist dies mit ein Grund, dass die Liberalisierer und Privatisierer große Anstrengungen unternehmen, die Staaten in den Ruin zu treiben, welche durch rigide Sparmaßnahmen ohne Rücksicht auf Verluste die Verwaltung allmählich handlungsunfähig machen. Auch die immer höheren Anforderungen, z.B. an das Trinkwasser bzw. die Abwasseraufbereitung, dürften nicht ausschließlich aus Gründen der "Volksgesundheit" vorgeschrieben sein, sondern auch etwas damit zu tun haben, dass die Kommunen dies bereits heute nicht mehr bezahlen können. Der neueste Clou: Durch eine seit 01.01.2003 geltende Änderung der Trinkwasserverordnung muss Wasser zum Wäsche waschen ebenfalls Trinkwasserqualität haben, da Kleidungsstücke Gegenstände sind, "die bestimmungsgemäß nicht nur vorübergehend mit dem menschlichen Körper in Kontakt kommen". Dieses Argument könnte man auch hernehmen, um zu verhindern, dass Leute im Regen spazieren gehen, da ja ihre Kleidung sonst mit Regenwasser "verschmutzt" wird (wie ungesund!). Damit will man ein weiteres Stück Unabhängigkeit durch Regenwasser-Reservoirs verhindern und die Gemeinden zwingen für den errechneten Bedarf pro Kopf (für's Kochen, für Trink-, Bade-, Duschwasser, für Wäsche und die Toilettenspülung) Trinkwasser in ausreichender Menge vorzuhalten. Lediglich für die Gartenbewässerung braucht man (noch) keine Befreiung vom Anschluss- und Benutzungszwang. Ansonsten wäre es nämlich ein Verstoß, wenn man es einfach zuließe, dass es auf den Garten, die Wiese oder den Acker regnet. Der Begriff "Volksgesundheit" spielt im übrigen meist nur dann eine Rolle, wenn es um die Regulierung von Bürgern oder Kommunen geht. Sind Interessen von Großkonzernen berührt, fordert man dagegen den "wissenschaftlichen" Nachweis des kausalen Zusammenhangs oder man zieht sich auf Grenzwerte einer "unabhängigen Expertenkommission" zurück (Beispiel Atomkraft, Mobilfunk oder Gentechnik). Wenn die öffentliche Hand schließlich am Boden liegt, hat man leichtes Spiel, die "unfähige" Verwaltung durch private Unternehmen auszuwechseln. Diese können dann die von Staat und Kommunen nicht mehr finanzierbaren Aufgaben übernehmen und sich dann die Rosinen herauspicken. Die Leistungen werden wohl zunächst etwas günstiger sein, damit ja alle "hurra!" brüllen; auf Dauer werden jedoch die Kosten steigen, die Qualität sinken und eine Versorgungssicherheit nicht mehr gewährleistet sein.
 
Ohne die Bürokratie hätte Hitler sein Unwesen nicht treiben können und ohne die Bürokratie können die Globalisierer, die Feinde unserer Demokratie, einpacken. Hierzu ein Beispiel aus unserer jüngeren Geschichte:
"Als von der Reichsregierung Bauer auf Weisung der Interalliierten Militärkommission die Auflösung noch bestehender militärischer Einheiten und Freikorps angeordnet wurde, breitete sich in rechtsradikalen Truppeneinheiten Unzufriedenheit aus. Sie fürchteten um ihre Existenz. Die Anordnung richtete sich vor allem gegen die im Januar 1919 in Wilhelmshaven aufgestellte Marinebrigade II ("Brigade Ehrhardt"), die gegen die Räterepublik in Braunschweig und München zum Einsatz kam.
Unter Führung des Befehlshabers im Reichswehrgruppenkommando I, des Generalleutnants von Lüttwitz, besetzte die Brigade Ehrhardt am 13. März 1920 das Berliner Regierungsviertel und rief den ehemaligen ostpreußischen Generallandschaftsdirektor Wolfang Kapp zum "Reichskanzler" aus. Die Reichsregierung, die zunächst nach Dresden, sodann nach Stuttgart ausgewichen war, forderte entschlossen und kompromisslos zum Widerstand gegen die Putschisten auf.
Der Umsturzversuch von rechts war dilettantisch vorbereitetet worden. Er scheiterte vor allem auch, weil sich die Berliner Ministerialbürokratie loyal verhielt, der von den Gewerkschaften ausgerufene Generalstreik im ganzen Deutschen Reich befolgt wurde und die Putschisten unterschiedliche Interessen verfolgten. Selbst die Rechtsparteien gingen schnell auf Distanz, ebenso einige militärische Befehlshaber, allerdings nach anfänglichem Zögern." (Quelle: Die Deutsche Geschichte, Band 3, 1756 - 1944, Seite 435, Weltbild Verlag Augsburg, 2001)
 
Welche Besonderheiten gelten für Beamte?
 
Über ihre Bürgerpflichten hinaus sind die Beamten des Bundes, der Länder, der Kommunen und der sonstigen Anstalten, Stiftungen und Körperschaften des öffentlichen Rechts besonders verpflichtet. Sie dienen dem ganzen Volk und nicht einer Partei. Sie haben die Gesetze zu beachten, ihre Aufgaben unparteiisch und gerecht zu erfüllen und bei ihrer Amtsführung auf das Wohl der Allgemeinheit Bedacht zu nehmen. Auch müssen sie sich durch ihr gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung (FDGO) im Sinn des Grundgesetzes und der jeweiligen Landesverfassung bekennen und für ihre Erhaltung eintreten (vgl. z.B. Art. 62 Abs. 1, 2 Satz 1 des Bayerischen Beamtengesetzes -BayBG-). Weiterhin haben sie sich mit voller Hingabe ihrem Beruf zu widmen und ihr Amt uneigennützig nach bestem Gewissen zu verwalten. Ihr Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes muss der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die ihr Beruf erfordert (vgl. Art. 64 Abs. 1 BayBG). Sie haben ihre Vorgesetzten zu beraten und zu unterstützen. Sie sind verpflichtet, ihre dienstlichen Anordnungen auszuführen und ihre allgemeinen Richtlinien zu befolgen (Art. 64 Abs. 2 BayBG). Sie tragen die volle persönliche Verantwortung für die Rechtmäßigkeit ihrer dienstlichen Handlungen (Art. 65 Abs. 1 BayBG).
 
Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit dienstlicher Anordnungen hat der Beamte unverzüglich bei seinem unmittelbaren Vorgesetzten geltend zu machen (Remonstrationsrecht). Wird die Anordnung aufrechterhalten, so hat sich der Beamte, wenn seine Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit fortbestehen, an den nächsthöheren Vorgesetzten zu wenden. Bestätigt dieser die Anordnung, so muss der Beamte sie ausführen und ist von der eigenen Verantwortung befreit; dies gilt nicht, wenn das dem Beamten aufgetragene Verhalten strafbar oder ordnungswidrig und die Strafbarkeit oder Ordnungswidrigkeit für ihn erkennbar ist oder das ihm aufgetragene Verhalten die Würde des Menschen verletzt. Die Bestätigung ist auf Verlangen schriftlich zu erteilen (Art. 65 Abs. 2 BayBG). Eine Abhandlung "Zu den Voraussetzungen für die Verbindlichkeit dienstlicher Anordnungen" von Dr. Johannes Rux, Tübingen, ist z.B. in der Zeitschrift "Die Öffentliche Verwaltung", Dezember 2002, Heft 23, Seiten 985 - 991 zu finden, die hier auszugsweise wiedergegeben wird:
 
Hiernach wird ein "offensichtlicher Widerspruch zwischen dem in Art. 20 Abs. 3 GG normierten Grundsatz der Rechtsbindung der Verwaltung und der Weisungsgebundenheit der Beamten" festgestellt. "Obwohl der Grundsatz der Rechtsbindung der Verwaltung zu den von Art. 79 Abs. 3 GG geschützten unantastbaren Strukturprinzipien der Verfassung gehört, kann man nicht ohne weiteres davon ausgehen, dass die Bestimmungen über das Remonstrationsverfahren jedenfalls insoweit verfassungswidrig sind, als sie die Beamten dazu verpflichten, auch rechtswidrigen Anordnungen Folge zu leisten. Die Verbindlichkeit rechtswidriger Anordnungen kann jedenfalls nicht (oder zumindest nicht mehr, eigene Anm.) als einer der "hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums" angesehen werden, die der Gesetzgeber gemäß Art. 33 Abs. 5 GG bei der konkreten Ausgestaltung des Beamtenverhältnisses berücksichtigen muss. Hinter der Ansicht, dass auch rechtswidrige Anordnungen grundsätzlich verbindlich sein sollen, vor allem die Befürchtung, dass sich die Verwaltung andernfalls durch eine ständige Binnendiskussion lähmen würde. So hat z.B. die erste Kammer des zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts entschieden, dass angesichts der Fülle offener und nicht abschließend geklärter Rechtsfragen kein effektives Arbeiten der Verwaltung möglich wäre, wenn der einzelne Beamte den Ablauf und Vollzug einer in den Bereich seiner Dienstaufgaben fallenden Verwaltungsentscheidungen hemmen könne, weil er aufgrund einer abweichenden Rechtsauffassung die von ihm weisungsgemäß auszuführende Amtshandlung für rechtswidrig hält. Nach Ansicht der Kammer soll die Gehorsamspflicht daher selbst bei verfassungswidrigen Anordnungen nur dann entfallen, wenn ein evidenter, besonders schwerwiegender Verstoß vorliegt (BVerfG, Beschl. v. 7.11.1994, DVBl. 1995, S. 193). Obwohl die Verfassungsordnung ohne jeden Zweifel die Funktionsfähigkeit der Exekutive zwingend voraussetzt, reicht die bloße Behauptung, dass diese Funktionsfähigkeit gefährdet sei, keinesfalls aus, um eine Beschränkung des Grundsatzes der Rechtsbindung der Verwaltung zu rechtfertigen (Dr. Rux zählt weist dann auf verschiedene Maßnahmen hin, wodurch die Funktionsfähigkeit der Verwaltung gleichwohl erhalten bleibt). Im Ergebnis scheint es nur zwei Arten von dienstlichen Anordnungen zu geben: Entweder der Beamte ist zur Ausführung einer Anordnung verpflichtet (bei Bestätigung durch den nächsthöheren Vorgesetzten), oder er darf sie unter keinen Umständen ausführen (bei erkennbarer strafbarer oder ordnungswidriger Handlung). Befolgt der Beamte eine Weisung oder Verwaltungsvorschrift hingegen nicht, weil er auch nach dem Abschluss des Remonstrationsverfahrens von ihrer Rechtswidrigkeit überzeugt ist, so handelt er auf eigenes Risiko. Sollte sich im nachhinein – etwa aufgrund der Klage eines Betroffenen oder im Rahmen eines Disziplinarverfahrens – herausstellen, dass die angeordnete Maßnahme doch rechtmäßig gewesen wäre, dann trifft den Beamten die volle Verantwortung dafür, dass er der Anordnung nicht nachgekommen ist. In diesem Fall muss er nicht nur mit Disziplinarmaßnahmen rechnen, sondern gegebenenfalls auch mit Schadensersatz- und Regressforderungen seines Dienstherrn. Die starre Trennung zwischen solchen Weisungen, die unter allen Umständen befolgt werden müssen, und solchen die unter keinen Umständen befolgt werden dürfen, muss durch eine dritte Variante ergänzt werden: nämlich durch Weisungen, die zwar nicht befolgt werden müssen, aber befolgt werden dürfen. Verweigert ein Beamter einer solchen Anordnung den Gehorsam, so muss er jedenfalls dann nicht befürchten, disziplinarrechtlich zur Verantwortung gezogen oder in Regress genommen zu werden, wenn er seine Remonstrationspflicht erfüllt hat und die angeordnete Maßnahme tatsächlich rechtswidrig war."
 
Unabhängig von der Geltung dienstlicher Anordnungen und der Prüfung etwaiger strafbarer oder ordnungswidriger Handlungen hat der Beamte das Recht, in geeigneter und seinem Amt angemessener Weise seine Befürchtungen hinsichtlich einer bestehenden Gefährdung unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung (auch öffentlich) zu äußern. Soweit dies innerhalb der in Art. 63 Abs. 1 BayBG (Mäßigung und Zurückhaltung bei politischer Betätigung) und in Art. 64 Abs. 1 Satz 3 BayBG (amtsangemessenes Verhalten) aufgezeigten Grenzen geschieht kann ihm dies auch nicht unter Hinweis auf Art. 64 Abs. 2 Satz 2 BayBG verwehrt werden (da keine "dienstliche" Angelegenheit mit der Möglichkeit von dienstlichen Anordnungen). Immer wieder gibt es jedoch Tendenzen, einen Beamten hier zu maßregeln ("Maulkorb"). Man hat teilweise immer noch nicht begriffen, dass sich das Berufsbeamtentum zwar in totalitären Herrschaftsstrukturen entwickelt hat (Pharaonen, Kaiser und Könige) und zu einem scharfen Werkzeug des Machterhalts gebraucht und missbraucht wurde, wir uns aber mittlerweile von der obrigkeitsstaatlichen Sichtweise entfernt haben und demokratische Mitgestaltung erwünscht ist, auch in Amtsstuben oder gerade dort.
 
Problematisch wird es, wenn ein Beamter unter Hinweis auf das Widerstandsrecht in Art. 20 Abs. 4 GG beispielsweise die Beachtung und Umsetzung von EU-Recht verweigern würde. Auch diesen Weg empfehle ich nicht. Dies wäre nur dann möglich, wenn es sich bei dieser Rechtsanwendung um eine strafbare oder ordnungswidrige Tat handeln würde. Einen entsprechenden Tatbestand, der hier genau "passt" habe ich im Strafgesetzbuch (StGB) jedenfalls nicht gefunden. Art. 81 StGB ("Hochverrat gegen den Bund") käme z.B. nur in Betracht, wenn jemand es mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt unternimmt den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen oder die auf dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland beruhende verfassungsmäßige Ordnung zu ändern. Dass dieser Tatbestand auf unsere Bundesregierung derzeit zutrifft, wage ich zu bezweifeln. Ich bin mir auch nicht sicher ob dies für internationale Organisationen, wie z.B. die Welthandelsorganisation (WTO) bei der Durchsetzung des GATS oder für die EU-Kommission bei der Androhung von Sanktionen gilt.
 
Der Umsetzung von EU-Richtlinien in der Verwaltung dürften sich die Beamten jedenfalls wohl dann nicht entgegen stellen, wenn ein zur Entscheidung befugtes Organ (Bundestag) diese Richtlinie in nationales Recht umgesetzt hat, selbst wenn die Arbeit der Parlamentarier – wie bereits ausgeführt – nur in einem formalen "Abnicken" dieser Regelung bestanden hat. Einem Rechtsakt (Richtlinie, Gerichtsentscheidung) auf europäischer Ebene, der unmittelbare Geltung für die Staatsbürger beansprucht, ohne dass dieser von einem im Grundgesetz hierzu ausdrücklich berufenen Organ bestätigt worden ist, dürfte nach meiner Ansicht nicht Folge geleistet werden. Bei einer Rechtsgüterabwägung zwischen der in Art. 64 Abs. 2 BayBG geforderten Pflicht der Befolgung dienstlicher Anordnungen mit der in Art. 62 Abs. 2 BayBG normierten Forderung, für den Erhalt der freiheitlichen demokratischen Grundordnung (FDGO) einzutreten, dürfte dem Erhalt der FDGO höheres Gewicht zuzumessen sein. Denn ein bloßes Funktionieren der Verwaltung um ihrer selbst willen, egal ob in einer Demokratie oder einer Diktatur, wird weder im Grundgesetz noch in den den Beamtengesetzen verlangt. Alle Rechtsnormen, die nicht im Hinblick auf den Erhalt und die Geltung der FDGO angewendet werden, ist gleichsam ihre demokratische Legitimation entzogen. Dies wäre darüber hinaus wohl auch ein evidenter, besonders schwerwiegender Verstoß im Sinne der oben genannten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (Beschl. v. 7.11.1994). Eine diesbezügliche Erklärung finden Sie hier.
 
Fazit
 
Mit der oben ausgeführten Problematik habe ich mich erst vor kurzem befasst, weshalb ich hierzu auch nicht auf Gerichtsentscheidungen oder Kommentarmeinungen zurückgreifen kann (im übrigen steht mir dann immer noch eine abweichende Meinung zu). Die von mir hierzu bisher befragten Verwaltungsjuristen gaben sich jedoch recht bedeckt. Entweder finden sie dies in Ordnung oder sie sagen abweichende Ansichten nicht laut. Ich habe deshalb kaum Hoffnung, dass von Seiten der öffentlichen Verwaltung die von mir vermuteten verfassungswidrigen Zustände abgestellt werden können. Falls sich in unserer Geschichte irgendwann einmal herausstellen sollte (von Historikern), dass das was derzeit abläuft doch nicht vom Grundgesetz gedeckt war, ist es zu spät. Aber daran gewöhnt man sich wohl (vgl. auch gesundheitliche Schäden durch Mobilfunktechnik).


 

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Möglichkeiten von Christen

Für Christen ist die ganze Angelegenheit noch heikler. Erst recht wenn sie – wie ich – zugleich Beamte sind. Zunächst sind wir verpflichtet, unseren Dienst ordentlich auszuüben, wie dies ja auch in den Beamtengesetzen beschrieben ist. Unser Aufgabe ist nicht der Widerstand, sondern wir schulden dem Staat ("der Obrigkeit") zuerst vielmehr Gehorsam. Auch wenn es sich bei allem menschlichen bzw. staatlichen Recht nur um eine (teils auch ungerechte) Notordnung handeln kann, möchte Gott, dass eine Ordnung besteht und nicht Anarchie und Chaos herrschen.
 
Als Anmerkungen hierzu einige Stellen aus dem Neuen Testament:

Gott fordert jedoch keinen bedingungslosen Kadavergehorsam, welcher Mord, Verfolgung Unschuldiger und Gotteslästerung einschließt, sondern Gehorsam nur soweit, wie es uns seine Gebote und Ordnungen erlauben ("... dem Kaiser was des Kaisers ist und Gott was Gottes ist"). Gleichwohl dürfen wir gerade in den westlichen Demokratien unsere in der staatlichen Rechtsordnung verbrieften Rechte wahrnehmen und haben als Christen sogar die Pflicht, auf die bestehenden Missstände hinzuweisen. Vielleicht müssen wir als Standesbeamte eine sogenannte "Homo-Ehe" beurkunden, aber wir sind nicht verpflichtet, solche Beziehungen gutzuheißen (nach dem Motto: "Das ist gut so!"). Vielleicht müssen wir irgendwann unter einem Unterdrücker oder Diktator unseren Dienst tun, aber wir brauchen ihn nicht mit den Worten "heil Dir ..." an die Stelle Gottes setzen. Dort wo der Staat oder die Macht, die ihn einst ersetzen wird (der "Antichrist") die göttlichen Wahrheiten unterdrücken will (Stichwort "Neue Toleranz") oder sich gar anmaßt an Gottes Stelle zu treten, dort ist tatsächlich Widerstand auch und besonders von Christen gefordert.
 
Wir können uns weiter dafür einsetzen, dass den Schwächsten in unserer Gesellschaft und besonders den Armen, Hungernden und Unterdrückten auf der gesamten Welt Gerechtigkeit widerfährt. Doch sollten wir uns auch um unsere Eltern, Kinder, Freunde, Nachbarn oder Bekannte in unserer unmittelbaren Nähe (unsere "Nächsten") kümmern und mit ihnen Frieden halten. Natürlich sollen wir mit den natürlichen Ressourcen verantwortlich umgehen sowie Natur und Umwelt schützen. Bei allem Eifer "für eine bessere Welt" dürfen wir jedoch nicht vergessen, dass ein ewiger Friede oder weltweite Gerechtigkeit bisher durch keine "Ismen", nicht durch den Humanismus, den Sozialismus, den Kommunismus, auch nicht durch den Kapitalismus geschaffen werden konnte. Auch der amerikanische Präsident Bush wird die Welt nicht zu einem dauerhaften Frieden bomben können. Wir müssen wissen, dass menschliche Anstrengung ohne Gott nichts vermag und dass diese Welt nach seinem Willen ein Ende haben wird. Das heißt nicht, bis dahin abzuwarten und die Hände in den Schoß zu legen. Wir dürfen, sollen, ja müssen mitgestalten, uns für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung einsetzen. Aber das ist nicht die Hauptsache. Zuallererst sollen wir dem Herrn den Weg bereiten. Der bekannte Pastor und Buchautor Klaus Vollmer sagt hierzu: "Jesus Christus ruft den Menschen nicht zum Dienst an der Welt, das ist nicht das Erste. Er ruft den Menschen nicht in erster Linie zur Selbstfindung auf, das ist nicht wahr. Dieser unser Herr ruft zu sich und nicht zu den Menschen. Der Mensch soll nicht in erster Linie sich selbst finden, sondern Christus. Der Mensch wird von diesem Herrn gerufen, und dieser Herr sagt: "Komm! Du Mensch, komm von dir weg." Das ist das Eigentliche am Christentum. Jede Verkündigung hat das zentrale Anliegen, diesen Jesus Christus einer unwissenden Welt bekanntzumachen. In der Predigt geht es nicht in erster Linie darum, die Welt zu neuen Aktionen zu scheuchen, nein, zentrale Aufgabe jeder Predigt ist es, diesen Jesus Christus einer Welt bekanntzumachen." Wenn auch "das Christentum" in Form der Großkirchen und viele Christen viele Fehler gemacht und große Schuld auf sich geladen haben, ändert dies nichts an der Tatsache, dass Christus der einzige Weg zum Heil ist und bleiben wird. Christus selbst hat gesagt, dass die Nachfolge schwer sein würde, aber sie hat großen Lohn.
 
Fazit
 
Auch wenn in unserer Rechtsordnung oder in der verwaltungsmäßigen Umsetzung Ungerechtigkeiten existieren oder dienstliche Anordnungen rechtswidrig sind, schulden wir als Christen zunächst den Gehorsam. Rechtswidrige und ordnungswidrige Taten oder solche, die die Menschenwürde verletzen müssen und dürfen wir auch nach den Gesetzen des Staates nicht begehen. Gleichwohl sollten wir immer unsere Vorgesetzten darauf hinweisen, wenn wir eine Anordnung für rechtswidrig halten und uns auch nicht aus Angst um unsere Karriere davor scheuen, die Meinung des nächsthöheren Vorgesetzten einzuholen. Sollte eine Anordnung den Geboten Gottes eindeutig widersprechen, was wir manchmal nur dann erkennen, wenn wir uns im Gebet an ihn wenden und von seinem Geist geleitet werden, dann schulden wir Gott unseren Gehorsam. Die Zeit wird kommen, in der wir auch hier eine Entscheidung treffen müssen.
 
Im Hinblick auf die Globalisierung gilt für Christen folgendes:

(Auszüge aus: factum-magazin (www.factum-magazin.ch), Schwengeler Verlag, Berneck, Schweiz, Heft Nr. 2/2003, Seite 24: "Christ und Globalisierung")


 

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Teil E: Anmerkungen zur Schuldknechtschaft
 

Eigentlich ist doch jeder Versuch, der allgemeinen Finanzmisere entgegen zu wirken von vorneherein zum Scheitern verurteilt, also reine Kosmetik. Es gäbe meiner Ansicht nach nur folgende echte Lösungsmöglichkeiten: 1. Abschaffung des derzeitigen Wirtschaftssystem mit Zins und Zinseszinsen mit Zinszahlungen (ohne Zinseszins) nur noch für eine bestimmte Übergangszeit; 2. allmähliche Rückzahlung aller Schulden innerhalb eines noch festzulegenden Zeitraums; 3. Kreditaufnahmen nur noch zur Umschuldung oder bei Notfällen (z.B. Naturkatastrophen); 4. Schließung sämtlicher Steuerschlupflöcher .... aber ist so etwas überhaupt noch möglich?
 
Die Finanznöte von Bund, Ländern und Gemeinden sind nicht plötzlich vom Himmel gefallen. Leute, die mit fremden Geldern wirtschaften, neigen besonders dazu, mehr auszugeben als sie einnehmen. Diese Nöte sind aber auch das Ergebnis eines zerstörerischen Wirtschafts-, eines ungerechten Steuersystems und der ungehemmten globalen Finanztransfers. Die Opfer sind neben den öffentlichen Körperschaften kleinere und mittlere Unternehmen, alle Arbeitnehmer, Arbeitslose, Sozialhilfeempfänger sowie die Ärmsten der Armen in den sogenannten Drittweltstaaten. Aber auch unsere Umwelt bekommt längst die Auswirkungen dieser Bedingungen zu spüren. Es wäre zu aufwendig, hier diese Hintergründe unseres Wirtschaftssystems zu durchleuchten. Interessierte seien auf das Buch von Hermann Benjes "Wer hat Angst vor Silvio Gesell?" verwiesen. Hier nur soviel: Exponentielles Wachstum (Verbrauch, Umweltschäden, Überschuldung) wird durch das Zins- und Zinsessystem erzwungen und nicht etwa durch den wachsenden Bedarf der Menschheit, da die Geldzurückhaltung mit Zinsen belohnt wird, anstatt dieses Geld mit einer Umlaufgebühr wieder in den Wirtschaftskreislauf zu zwingen. Versteckte und verschwiegene Zinskosten belasten die Preise aller Waren und Dienstleistungen mit ca. 35 bis 40 % (Wohnungsmieten bis 80 %). Geld "wächst" nicht, wie immer wieder behauptet wird, man hat es auch noch nie arbeiten sehen. Die wundersame Geldvermehrung der Superreichen wird auch nicht etwa durch Tüchtigkeit und Fleiß erzielt, sondern durch eine systembedingte Umverteilung des Geldes von den Arbeitenden zu den Geldbesitzenden. Diese lassen sich dann noch völlig legal arm rechnen, wodurch weitere riesige Milliarden-Löcher in den Finanzetats entstehen. Diese Umstände werden auf lange Sicht zum Ende der Demokratien und einer Änderung der Staatengebilde führen, da die Nationalstaaten ihre Gestaltungsmöglichkeiten durch internationale Handelsvereinbarungen bereits aus der Hand gegeben haben.
 
Als weitere Ursachen der allgemeinen Finanznot, insbesondere von Staat und Kommunen, sind noch zu nennen:


 

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einige Stichworte (nach Silvio Gesell - entnommen aus dem Buch von Hermann Benjes

  1. die Geldzurückhaltung wird mit Zinsen belohnt, anstatt dieses Geld mit einer Umlaufgebühr wieder in den Wirtschaftskreislauf zu zwingen
  2. exponentielles Wachstum, insbesondere der Verbrauch, die Umweltschäden und die Überschuldung, wird durch das Zins- und Zinseszinssystem erzwungen und nicht etwa durch den wachsenden Bedarf der Menschheit
  3. versteckte und verschwiegene Zinskosten belasten die Preise aller Waren und Dienstleistungen mit ca. 35-40 %, bei den Wohnungsmieten liegt der Zinskostenanteil zwischen 70 und 80 %
  4. Geld kann nicht "wachsen" wie immer wieder behauptet wird. Man hat Geld auch noch nie arbeiten sehen. Die wundersame Geldvermehrung der Reichen und Superreichen wird auch nicht etwa durch Tüchtigkeit und Fleiß erzielt, sondern durch eine systembedingte Umverteilung des Geldes von den Arbeitenden zu den Geldbesitzenden
  5. 10 % der Bevölkerung verfügen inzwischen über die Hälfte aller Geldvermögen. Die restlichen 90 % müssen sich die andere Hälfte teilen
  6. dass Spitzenverdiener in Deutschland (mit Hilfe von Steuerberatern) dazu neigen, sich ihrer Steuerpflicht auf legalem (!) oder illegalem Wege zu entziehen
  7. Fluchtgeldberater – besonders tüchtige Steuerberater, die dafür bezahlt werden, Reiche völlig legal arm zu rechnen
  8. es kommt sogar vor, dass diese Unersättlichen gar keine Steuern zahlen oder sich vom Finanzamt mit einer Gratifikation auf das Angenehmste überraschen lassen
  9. derart zum Himmel stinkende Steuerverkürzungen, Steuerhinterziehungen und Verhöhnungen (!) ehrlicher Steuerzahler, reißen natürlich große Milliarden-Löcher in den Finanzetat
  10. das Geld sollte – wie die Autobahn – dem Staat gehören, der es der ganzen Bevölkerung zinslos (doch keineswegs völlig kostenlos) zur Verfügung zu stellen hat
  11. statt dessen wird das Geld den Geschäftsbanken gegen Zinsen "verkauft" und diesen erlaubt, das von vornherein als Schuldgeld auftretende Geld der Wirtschaft und der Bevölkerung gegen möglichst hohe Zinsen zur Verfügung zu stellen
  12. bei unveränderlicher Kaufkraft lohnt sich das Sparen – auch ohne Zinsgeschenke. Die Zinsgeilheit der Bevölkerung ist eine Folge der künstlich veranlassten allmählichen Geldentwertung


 

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Teil F: Neun "Wirtschaftsgesetze"
 

Es könnte doch so einfach sein (zumindest theoretisch). Wirtschaftsgesetze aus meiner Sicht:

  1. Spare in der Zeit, dann hast du in der Not!
    Rücklagen bilden!

  2. Gib nicht mehr aus als du hast!
    Ein mit Krediten finanzierter Haushalt ist nicht ausgeglichen, auch wenn es in den Haushaltsgesetzen anders steht.

  3. Sei nicht gierig!
    Beschränkung auf das Notwendige und Finanzierbare – keine Begehrlichkeiten oder "Denkmäler" für Politiker. Die Gewährung staatlicher Zuschüsse sollte kein Anreiz für eine nicht notwendige Maßnahme sein; Zuschüsse sollten nur beantragt werden, weil man eine Maßnahme auch sonst durchführen würde oder müsste. Die Zuschüsse finanzieren wir im übrigen als Mitglieder der Solidargemeinschaft über Steuern und Umlagen selbst mit.

  4. Es gibt keinen Gewinn ohne Verlust.
    Solidarisch denken! Ein Geschäft ist entweder ein gleichwertiger Tausch von Geld, Gütern oder Dienstleistungen oder eine Partei hat einen Gewinn. Den Verlust trägt entweder der Geschäftspartner, die Gesellschaft, der Staat, andere Nationen oder die Umwelt.

  5. Menschliche Leistung hat Grenzen – daher auch der Verdienst.
    Beispiele: Einkommen von Spitzensportlern, Abfindungen von Managern – die muss jemand finanzieren; nicht nur die Konsumenten (der Markt), sondern in vielen Fällen auch Gesellschaft und Staat (Umverteilung).

  6. Qualität geht vor Quantität.
    Wir brauchen nicht von allem nur immer mehr und das immer schneller oder bereits nach kürzerer Zeit, sondern vor allem gute Qualität, gesunde und langlebige Produkte.

  7. Der Tag hat 24 Stunden.
    Der Mensch ist keine Maschine. Er braucht neben der Zeit für Broterwerb (Arbeitsleistung) sowie für Schlaf, körperliche und seelische Erholung auch Zeit für die Familie, für private Arbeit, Interessen und Aktivitäten auch Zeit zur Muse, zur Ruhe und zum Denken. Wer den Menschen nur auf seine Produktivität oder Nützlichkeit reduziert, hat weder ein humanistisches noch ein christliches Bild vom Menschen und ist somit sein Feind. Wir muten uns aber auch zu viele Dinge gleichzeitig zu (keiner hat mehr Zeit).

  8. Wachstum hat Grenzen.
    Auch Bäume wachsen nicht in den Himmel. Exponentielles Wachstum zerstört.

  9. Zins und Zinseszins sind Teufelswerk.
    Die Erhebung von Zinsen war zu früheren Zeiten und in manchen Kulturen verboten. Aus gutem Grund.


 

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WG-I im März 2003 (Webmaster)

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